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EuGH-Urteil auf Vorlage des Landgerichts Ravensburg im Zusammenhang mit dem Abgasskandal

Datum: 01.08.2025

Kurzbeschreibung: 

Am 1. August 2025 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (C – 666/23) eine weitere Entscheidung über die Berechtigung eines Schadensersatzanspruchs für Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 versehenen Fahrzeugs getroffen.
Die Entscheidung betrifft Käufer von Fahrzeugen, die von der Problematik betroffen sind, die in der Öffentlichkeit unter dem Schlagwort „Abgasskandal“ oder „Dieselskandal“ diskutiert wird. In den betroffenen Fahrzeugen verfügt die Software der Motorsteuerung über eine Programmierung, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand zur Testung und Bewertung oder im normalen Straßenverkehr bewegt. Erkennt die Software den Prüfstand, werden mehr Abgase in die Verbrennung zurückgeführt, womit es zu einem reduzierten Ausstoß von Stickoxiden über den Auspuff kommt. Erkennt die Software den realen Straßenverkehr, werden vermehrt Abgase über den Auspuff in die Luft ausgestoßen.
Das Kraftfahrtbundesamt ordnete gegenüber den jeweiligen Herstellern den Rückruf von betroffenen Fahrzeugen an und forderte diese auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit wiederherzustellen. In der Folge entwickelten die Hersteller eine neue Programmierung, ein sogenanntes „Software-Update“. Mit Aufspielen dieses neuen Programms in die betroffenen Fahrzeuge sollten die unzulässigen Abschalteinrichtungen entfernt und Abgaswerte dennoch reduziert werden. Mit dem Update ist in einigen Fällen eine weitere temperaturgesteuerte Prüfstandserkennung aufgespielt worden.
In der Folge begehrten zahlreiche Eigentümer betroffener Fahrzeuge Schadensersatz. Wegweisend hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26. Juni 2023 entschieden, dass einem
Landgericht Ravensburg, Marienplatz 7 88212 Ravensburg
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Fahrzeugeigentümer, dessen Fahrzeug mit einer derartigen unzulässigen Abschalteinrichtung
ausgestattet ist, einen Anspruch auf Schadensersatz hat. Dabei besteht auch die Möglichkeit,
dass ein Fahrzeugeigentümer einen vom Gericht zu bestimmenden Betrag erhält und das
Fahrzeug behalten darf. Diesen Schadensersatzbetrag bemisst der Bundesgerichtshof innerhalb
einer Bandbreite von 5 % bis 15 % des ursprünglich gezahlten Kaufpreises. Den genauen Betrag
innerhalb dieses Rahmens schätzt das jeweilige Gericht.
Der Bundesgerichtshof hatte bereits am 24. Januar 2022 entschieden und mit Entscheidung vom
26. Juni 2023 bestätigt, dass einem etwaigen Schadensersatzbetrag unter Umständen Vorteile
entgegengehalten – und damit von einem Ersatzanspruch in Abzug gebracht − werden können.
So stellt es einen Vorteil dar, dass ein Fahrzeug genutzt wurde und auch behalten werden kann.
Unter bestimmten Umständen kann diese Anrechnung dazu führen, dass dem Käufer kein
Schadensersatzbetrag mehr verbleibt.
Unter anderem zu dieser Frage hat das Landgericht Ravensburg den Gerichtshof der
Europäischen Union angerufen. Das Landgericht Ravensburg wollte wissen, ob diese im
deutschen Recht übliche Anrechnung von Vorteilen mit dem Recht der Europäischen Union
vereinbar ist und auch, ob ein Schadensersatzbetrag auf maximal 15 % begrenzt werden kann.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu entschieden, dass das Unionsrecht
grundsätzlich nicht daran hindert, auf den Schadensersatzbetrag einen Betrag anzurechnen, der
dem Vorteil der Nutzung dieses Fahrzeugs entspricht. Das Gericht wiederholte seine Auffassung,
einem Käufer von Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung dürfe es nicht
unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden, angemessenen Schadensersatz zu
erlangen. Dabei sind nationale Gerichte gleichwohl befugt, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz
der Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Erwerber führt.
Grundsätzlich steht das Unionsrecht auch einer Begrenzung dieser Entschädigung auf einen
Betrag, der maximal 15 % des Kaufpreises des Fahrzeugs entspricht, nicht entgegen. Allerdings ist
darauf zu achten, dass eine Entschädigung eine angemessene Wiedergutmachung für den
erlittenen Schaden darstellt. Es ist daher Sache des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts,
gegebenenfalls zu prüfen, ob die fragliche Beschränkung eine solche angemessene
Entschädigung gewährleisten kann.
Der Entscheidung ist weiter zu entnehmen, dass die Haftung der Fahrzeughersteller nicht deshalb
ausgeschlossen werden kann, weil die zuständige Behörde den jeweiligen Fahrzeugen eine EGTypengenehmigung
erteilt hatte. Hierauf haben sich Hersteller berufen, weil das
Kraftfahrtbundesamt jedenfalls die temperaturgesteuerte Prüfstandserkennung zum Teil gesehen
und dennoch eine EG-Typengenehmigung erteilt hat. In dem nun ergangenen Urteil stellt das
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Gericht klar, dass die Erteilung einer EG- Typengenehmigung nicht zwangsläufig bedeutet, dass
die zuständige Behörde die Einschätzung eines Fahrzeugherstellers zur etwaigen Zulässigkeit
einer Abschalteinrichtung bestätigt.
Auch hindert es einen Anspruch auf Schadensersatz nicht, wenn eine etwaige unzulässige
Abschalteinrichtung erst mit dem Software-Update installiert wird.

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